Meinolf Wacker steht 10 Tage lang mit seinem Team am Tiny House der Aktion go4peace auf Libori – einem kirchlichen Volksfest in Paderborn. In mehr als 3.000 Begegnungen mit Jugendlichen und in vielen tiefen und persönlichen Gesprächen erlebt er, wie Gott am Werk ist.
Begegnungen am Tiny House
Meinolf schreibt:
„Und weißt du schon, was du nach der Schule machen willst?“ frage ich eine Schülerin, die kurz vor dem Ende ihrer Schulzeit steht. „Keine Ahnung!“ – „Hast du schon eine Idee, wo du mal ein Praktikum machen könntest, was dich interessiert? – „Keine Ahnung!“ – „Wäre dann vielleicht ein FSJ für dich eine willkommene Zeit, um etwas Neues kennen zu lernen?“ – „Keine Ahnung!“
Diese Begegnung ergab sich während der Libori-Tage am Tiny House vor dem Domturm in Paderborn. Ich war längere Zeit im Gespräch mit dieser jungen Frau geblieben und hatte versucht, ihr Perspektiven aufzuweisen, die ihr weiterhelfen könnten, in ihr Leben zu starten. Als das Eis, auf das ich sie eingeladen hatte, fast aufgegessen war, hatte sie mich angeschaut und gesagt: „Weißt du, wenn ich ehrlich bin, möchte ich gar nicht erwachsen werden. Ich habe Angst davor!“
Dialog-Konzert in der Marktkirche
Einen Tag zuvor hatten wir in der Marktkirche in Paderborn ein beeindruckendes Dialogkonzert leben und erleben dürfen. Amelie Held aus New York hatte auf fünf Interviews mit jungen Menschen mit je einem Stück aus der Orgelliteratur geantwortet. So erzählte Filmon, wie er als junger Flüchtling in Deutschland eine zweite Mutter gefunden hat. Eine junge Afghanin, die mit einer älteren Freundin zum Konzert gekommen war, hatte die gleiche Erfahrung gemacht. „Als ich bei dem Orgelstück von Johann Sebastian Bach Wenn wir in höchsten Nöten seien meiner Freundin leise gesagt habe ‚Wie bei uns!‘ kamen uns beiden die Tränen.“ Abends schrieb mir die Freundin der Asiatin: „Eine junge, verletzliche Frau war als Flüchtling aus einer anderen Welt zu uns gekommen. Gott hatte sie mir an mein Herz gelegt! Während des Orgelkonzertes spürten wir diese tiefe Verbundenheit. Es war einer dieser Momente der Ewigkeit, in der Jesu Nähe so intensiv spürbar war, dass ich ihn nie vergessen werde.“
Frieden ist mehr als Pommes
Und dann saß am vorletzten Tag ein junges Mädchen mit einer Portion Pommes in der Nähe des Tiny Houses. Mit einem Lächeln im Gesicht ging ich zu ihr, hielt ihr einen Friedensstift mit der Aufschrift „Sei Friedensstifter*in!“ hin und sagte: „Beim Pommes-Essen kommen mir immer die besten Friedensgedanken. Hier ist ein Stift, mit dem du all deine Gedanken auf die Serviette schreiben kannst.“ Lächelnd nahm sie den Stift entgegen. Einige Minuten später kam sie zu mir ans Tiny House und überreichte mir strahlend ihre Serviette auf die sie geschrieben hatte: „Frieden bedeutet z.B., dass ich Pommes essen kann und es genug Essen gibt. Dass ich meine Pommes ohne Angst essen kann und mich nicht um mein körperliches oder geistliches Wohl sorgen muss. Dass ich weiß, ein sicheres Zuhause zu haben, wo ich mir ohne Schwierigkeiten selbst Pommes machen kann. Trotzdem ist Frieden mehr als Pommes. Frieden ist das Wichtigste und ich bin dankbar, dass ich diesen Frieden erleben darf! “
Über 3000 Begegnungen haben wir am Tiny House erlebt. Viel Leidvolles und Hoffnungsvolles ist uns anvertraut worden. Neue Kontakte zu Lehrern und Lehrerinnen, die uns mit dem Projekt navi4life an ihre Schulen holen wollen, sind geknüpft worden. Gott ist am Werk, das können wir wieder neu bezeugen. Er nimmt uns als Sauerteig für eine Welt, die Sehnsucht nach echtem Leben hat und ER ist das Leben (vgl. Joh 14,6). Sein Ideen-Reichtum toppt den unsrigen immer wieder!
Als wir nach 10 Tagen „auf Libori“ Paderborn wieder verließen, sah ich vor meinem inneren Auge den Blick des Mädchens, die mir anvertraut hatte: „Ich habe Angst davor, erwachsen zu werden!“ Zugleich fiel mein Blick auf den Schuhlöffel im Wagen mit der Aufschrift: „Steh auf und geh los!“ Solche Schuhlöffel haben wir allen Besuchern als kleines Geschenk mitgegeben. Ich betete für die Schülerin, dass sie den Mut findet, aufzustehen und loszugehen.
Ein Beitrag von Meinolf Wacker, bearbeitet von Ulrike Comes. Fotos von Meinolf Wacker.
Hier der vollständige Bericht als pdf – leider nur in deutscher Sprache: