Paul Wittelmann (9.10.1938 – 9.6.2024)
Geboren in Oelde/Westfalen wuchs Paul traditionell-katholisch in einer kleinbäuerlichen Familie auf, zusammen mit der zwei Jahre älteren Schwester Marlies und dem zwei Jahre jüngeren Bruder Günter. Ab dem achten Lebensjahr musste er auf dem Hof mitarbeiten und sehr harte Arbeit leisten. Vom Vater lernte Paul Pflichtbewusstsein, erlebte ihn aber auch als wohlwollenden Freund. Von seiner Mutter erfuhr er Sparsamkeit, Zurückhaltung und ein nüchtern-religiöses Denken. Seine Kindheit führte ihn schon früh zu einer Beziehung mit Gott: Ihn konnte er um alles bitten. Und wenn er auch nicht alles erhörte – Paul nahm es ihm nicht übel.
Sein tiefer Glaube und seine Freude am Gebet führten dazu, dass Paul als 14-Jähriger von einem Vikar gefragt wurde, ob er nicht Priester werden wolle. Zweifelnd, aber auch mit der Freude, Gott nachfolgen zu können, sagte Paul JA. So wechselte er nach Münster auf das Paulinum. Rektor war Hans Heilkenbrinker, von allen nur „Pater Hans“ genannt. Der lud am 2. Dezember 1957 drei Männer ein, damit sie von den „abenteuerlichen Anfängen“ der Fokolar-Bewegung aus Italien erzählten. Paul war dabei und begeistert. Schon lange hatte er „in einer inneren Krisenzeit nach einem Lebensstil“ gesucht, der unkompliziert und nicht von Verboten und Geboten geprägt sein sollte. Und der die Liebe Gottes als Mittelpunkt hatte.
Die Eröffnung der ersten deutschen Fokolargemeinschaft im November 1958 in Köln wurde für Paul zu einem Meilenstein auf seinem Lebensweg. Im Oktober 1959 konnte er an einem Sommertreffen der Fokolare (Mariapoli) in den Dolomiten teilnehmen. Die Erfahrung weckte bei Paul den Wunsch, Fokolar zu werden. Durchaus angezogen vom Amtspriestertum, merkte er aber, dass er auch als Laie das „allgemeine, königliche Priestertum“ leben könne, einfach „als Mensch unter Menschen“. Dann blieben noch die Erwartungshaltung der Familie und des Ortpfarrers sowie der Respekt vor dem Gespräch mit dem Bischof. Die noch junge Fokolar-Bewegung wurde damals von der italienischen Bischofskonferenz abgelehnt und auch vom Vatikan zunächst kritisch betrachtet. Bischof Keller von Münster teilte diese Ablehnung. Im Gespräch wandelte sich aber seine Haltung. Nun konnte Paul freien Herzens als Fokolar beginnen.
Bei einem Besuch von Chiara Lubich in Köln in den 1960er-Jahren verkündete sie bei einer Fahrt über die Severinsbrücke, dass Paul nun ins Fokolar aufgenommen werde. Mit Blick auf die Brückenkonstruktion erinnerte sie Paul daran, so wie Jesus der Verlassene zu leben, der am Kreuz die ganze Welt tragen und erlösen wolle. Ein Bild, das Paul immer im Gedächtnis geblieben ist.
Auf seinem Lebensweg war Paul in verschiedenen Fokolargemeinschaften in Deutschland; die letzten Jahre in Weinheim/Mannheim (Zonette Heidelberg). Er begleitete unzählige Menschen jeden Alters und hatte ein besonderes Talent, Jugendliche zu begeistern. Egal, wo Paul lebte – er versuchte, täglich die Kommunion zu empfangen. Die Eucharistie war der Mittelpunkt seines Tages. Sie gab ihm die Kraft, für die Anderen zu leben und ihnen göttliches Leben zu schenken. Das blieb so bis zum letzten Tag seines Lebens, an dem er morgens noch die hl. Messe besuchen konnte.
Da lebte Paul schon seit fünf Jahren in einem Seniorenheim. Verschiedene Krankheiten, insbesondere Parkinson, hatten es ihm unmöglich gemacht, in einer Fokolargemeinschaft zu leben. So wurde seine letzte „Station“ Hirschberg. Er begann sofort, neue Kontakte zu knüpfen, setzte sich entsprechend seinen Kräften für das soziale Leben des Pflegeheims ein, gestaltete Feste mit, dichtete Texte für Lieder und entdeckte ein Talent seiner Kindheit wieder: das Spielen der Mundharmonika.
Paul betete täglich für über 100 Personen, stärkte und unterstützte in Telefonaten unzählige Menschen, die in Not waren oder seelische Stärkung brauchten. Ein bewegender Moment war kürzlich ein Besuch von muslimischen Freunden und einem Fokolarpriester, die ihren Freund Paul im Pflegeheim besuchten. Sie wollten mit ihm gemeinsam zum Abschluss des Ramadan beten. Der Dialog mit dem Islam war Paul immer ein Herzensanliegen. Eine große Freude erlebte Paul, wenn man mit ihm ein italienisches Ristorante in der Nähe des Heimes besuchte. Dort wurde Paul immer liebevoll aufgenommen und konnte trotz seiner nachlassenden Gesundheit die köstlichen Speisen genießen.
Nach seinem jähen Tod schrieb sein Logopäde: „Paul war immer so strahlend, ich habe mich immer auf diese Therapie gefreut.“
Gekürzt von Gabi Ballweg aus einem ausführlicheren Lebensbild; Foto: privat.