Beiträge von erfahrenen, engagierten Fachleuten kennzeichneten den Tag der Fokolar-Bewegung in Münster. Es ging um soziale Gerechtigkeit im Land, Aspekte von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch sowie Unternehmen junger Leute zur Lösung weitreichender, ökologischer Probleme. Ein Bericht unseres Journalisten vor Ort.

Peter Kossen: gegen die Allianz aus Kapital, Kirche und Politik – für Gerechtigkeit

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ nannte ihn einst den „Heiligen Peter der Schlachthöfe“: Peter Kossen – katholischer Pfarrer im westfälischen Lengerich. Beim Tag der Fokolar-Bewegung in Münster sind viele gespannt, was Peter Kossen zu sagen hat. Die meisten wissen, dass er für Gerechtigkeit und Würde kämpft und  sich dabei auch mit den Großen in Politik, Kirche und Unternehmen anlegt.

Die milliardenschwere Fleischindustrie versucht, den ungeliebten Protest-Pastor mundtot zu machen und übt immer wieder gezielt Druck auf die Bistumsleitung am Domplatz in Münster aus.

Dabei nimmt Peter Kossen, der seit den 1990er Jahren Mitglied der Fokolar-Bewegung ist, genau das auf, was die letzte Generalversammlung der Fokolar-Bewegung im Jahre 2021 in ihrem Abschluss-Dokument so formulierte: „Den Hilferuf der Menschheit hören“. Kossen hat sie gehört, die Hilferufe der Arbeiter in den Schlachthöfen der Republik, die häufig als moderne Arbeits-Sklaven gehalten werden und sich als Menschen zweiter Klasse fühlen. Darüber reden möchte niemand gerne. „Es ist auf gewisse Weise leichter“, so Kossen, „für faire Arbeits- und Lebensbedingungen in Bangladesch zu kämpfen, als hier bei uns.“

Kossen ist kein Träumer. „Es geht in der Politik darum, Mehrheiten zu organisieren.“ Er wirbt dafür, dass sich mehr Menschen der Fokolar-Bewegung in der Politik engagieren. Der Geist, den die Spiritualität der Einheit hervorbringe, sei in politischen Parteien weitgehend verloren gegangen. Und noch etwas ist Peter Kossen wichtig: „Wenn du gegen Ungerechtigkeiten kämpfen willst, musst du manches Mal selbst Spannungen erzeugen.“

Peter Kossen ist streitbar, klar und geradeaus. Er ist ein Gesprächspartner, der – so der Eindruck – in der kommenden Zeit in der MOPs-Region an Bedeutung gewinnen wird.

„Der lila Elefant im Raum“

Die Synode der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) in Dresden beschäftigte sich jüngst mit dem Thema. Die Katholische Kirche ebenfalls. Auch Kultureinrichtungen und Sportverbände kommen nicht länger darum herum. Es geht um sexualisierte Gewalt.

Tobias Klodwig (Münster), Christoph Sibbel (Oldenburg) und Ulrike Schulze Hobeling (Warendorf) berichten davon, wie sie die Sprachlosigkeit diesbezüglich angegangen sind.

„Es war wie so ein lila Elefant im Raum“, beschreibt Tobias Klodwig die Situation, die durch zwei Fälle in der Region, in die Fokolar-Priester verwickelt waren, entstand. Ein Graben zwischen den Priestern und zahlreichen Angehörigen der Fokolar-Bewegung tat sich auf.

Als mit Dr. Andreas Tapken (Oberhausen) ein Psychologe und Coach als Mediator gewonnen wurde, kam ein erstes Gespräch zwischen Laien und Priestern zustande, dem ein zweites folgte.

„Es war wichtig“, berichtet Christoph Sibbel, selbst als Pfarrer tätig, „die verschiedenen Perspektiven einzunehmen, besonders die der Opfer.“

Ulrike Schulze Hobeling, Tobias Klodwig und Christoph Sibbel berichten, wie sie die Sprachlosigkeit bei Themen wie Sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch überwunden haben. (Foto: Gerburgis Sommer)

So reich und wertvoll verzeihen können sei, vorschnelle Rufe danach, dass die Opfer den Tätern verzeihen sollten, erteilte Ulrike Schulze Hobeling eine klare Absage: „Heute weiß man, dass gerade in Missbrauchsfällen ein zu schnelles Verzeihen den Opfern eher schadet.“ Wenn man zu schnell verzeihe, könne die- oder derjenige den Kontakt mit sich selbst, mit der eigenen Wunde und den eigenen, echten Gefühlen verlieren. Die Folge sei, dass sich die Wunde im Unterbewusstsein verankern könne. „Die Wunde kann später“, so Schulze Hobeling weiter, „in ganz unerwarteten Momenten plötzlich aufbrechen.“. Manchmal würden die Betroffenen gar nicht erkennen, woher die Verzweiflung, eine schwere Krise oder sogar eine Krankheit herrührten.

Erst nach einer wirklichen Verarbeitung und intensiven psychischen Begleitung könnten viele der Opfer selbst anschauen und herausfinden, was für sie möglich und hilfreich sei – und wann. Auf keinen Fall könne Verzeihen von außen eingefordert werden.

Ein weiterer Aspekt ist das Verhindern von Machtmissbrauch. „Ich habe Menschen erlebt, die mir sehr wichtig sind,“ berichtet Ulrike Schulze Hobeling, „die unter Machtmissbrauch extrem gelitten haben.“

Sie werde sich entschieden dafür einsetzen, damit dies künftig niemandem mehr passieren müsse. An die rund 100 Gäste gewandt schloss sie mit den Worten: „Wir könnten alle miteinander aufmerksam sein – besonders in Beziehungen, in denen Abhängigkeiten bestehen, um Machtmissbrauch möglichst zu verhindern.“

Studierende mit Seegras-Projekt beim Enactus World Cup 2025

„Ich möchte nicht ausschließlich Spenden sammeln, um Menschen in Not zu helfen“, erzählt Lukas Meyer (23) in einer Pause. „Ich möchte etwas Konkretes tun – mit direktem Impact.“

Etwas bewirken, ist für ihn wichtig. Lukas Meyer studiert Wirtschaftschemie an der Universität Münster und war 2024/25 Finanzvorstand bei Enactus Münster e.V. . Mit über 75.000 Mitglieder:innen ist Enactus die größte studentische Unternehmertum-Initiative der Welt. Durch die Gründung eigenständiger gemeinnütziger Organisationen sowie nachhaltigen Start-Ups wollen sie soziale und ökologische Probleme mit unternehmerischem Ansatz lösen und somit einen Beitrag zur Umsetzung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen leisten.

Beispiel: „Seads“. „Wir“ – so schreiben sie auf ihrer Homepage https://enactus-muenster.de/projekte/seads/ – „renaturieren Seegraswiesen in der deutschen Ostsee durch gezielten Anbau und die nachhaltige Ernte von Samen.“ Ein Vorteil: Seegras binde bis zu 50-mal mehr CO₂ als Wälder.

Mit diesem Projekt setzten sie sich als „National Champion“ gegen die Teams anderer deutscher Universitätsstädte durch. Daraufhin ging es für sie nach Bangkok, um Deutschland beim World Cup vertreten.

Lukas Meyer kümmerte sich – neben den Finanzen des Vereins – auch um die Reise zum Enactus World Cup 2025 in die thailändische Millionen-Metropole. Das Team aus Münster belegte dort den dritten Platz und gewann zusätzlich den ThaiBev SEP Award, der der thailändischen Philosophie für eine sich selbsttragende Wirtschaft am meisten entsprach.

Das Sieger-Projekt, das aus Kanada kam, überzeugte mit einer innovativen Lösung für biobasierten Plastikfilm aus Seegras. Von den über 30 vertretenden Ländern war auch der Vorjahres-Sieger Tunesien anwesend. „Die“, so Lukas Meyer, „haben mich mit ihrer Stimmung und Offenheit besonders beeindruckt“.

Ihr Projekt hilft in ihrer nordafrikanischen Heimat bei der Bekämpfung von Mastitis, der Euterentzündung von Milchkühen. Herkömmliche Antibiotika-Behandlungen sind für die Milchbauern sehr kostenintensiv und langfristig nicht nachhaltig. Also entwickelte das Enactus-Team eine Creme und ein Gel auf natürlicher Basis, die Mastitis wirksam heilen und vorbeugen können.

„Der Ehrgeiz der Teams, etwas Gutes zu tun, die Möglichkeit, mit Menschen aus aller Welt ins Gespräch zu kommen, einzigartige Erfahrungen zu machen und nachhaltigen Impact zu schaffen, zeigt mir, was Enactus wirklich ausmacht.“

Münster-Gremmendorf: Tag der Fokolar-Bewegung | 15.11.25 (Foto: Tobias Klodwig)

Text: Hubert Schulze Hobeling