Der Pakt der Einheit, den Chiara Lubich am 16. Juli 1949 mit Igino Giordani (Foco) geschlossen hat, war der Beginn einer besonders lichtvollen, mystischen Erfahrung, die wir als „Paradies ’49“ bezeichnen. Was ist gemeint und welche Bedeutung hat das für die Bewegung?
Was ist das „Paradies ‘49“?
Im Sommer 1949 sind Chiara und einige der ersten Fokolarinnen zur Erholung in die Dolomiten (Trentino) gefahren. Ganz unerwartet wurde für sie jene Sommerzeit in den Bergen zu einer tiefen mystischen Erfahrung, die ganz entscheidend die entstehende Fokolar-Bewegung sowohl in Bezug auf ihre Spiritualität als auch auf ihre Struktur geprägt hat. Die Gesamtheit dieser „Tabor“-Erfahrung und ihren schriftlichen Niederschlag bezeichnen wir als „Paradies ’49“.
Ablauf der Ereignisse
Chiara selbst beschreibt, was der Erfahrung des Sommers 1949 vorausgegangen war: „Seit etwa fünf Jahren waren wir dabei, das Wort der Schrift in unserem Leben zu vertiefen, bis ich schließlich im Frühjahr 1949 feststellte, dass die Auswirkungen der verschiedenen Worte im Leben mehr oder weniger – wenn nicht sogar völlig – die gleichen waren, so als ob die allen Worten zugrundeliegende Substanz die Liebe sei.“ Dieselbe Liebe erkannte Chiara auch in der Schönheit der Natur und der Schöpfung, wo es schien, als ob jedes Element mit dem andern in einer Beziehung der gegenseitigen Liebe verbunden wäre.
Anfang Juli kam Igino Giordani, Foco, nach Fiera di Primiero und fragte Chiara, ob er den gemeinsamen Weg der Heiligung mit ihr durch ein Gelübde des Gehorsams bekräftigen könne. Sie hingegen schlug ihm vor, am nächsten Morgen „in der Kommunion den eucharistischen Jesus (darum) zu bitten, er möge auf unserem Nichts uns in Einheit verbinden“. Mit diesem „Pakt der Einheit“ begann für Chiara eine Reihe von sogenannten „intellektuellen Visionen“, die mit dem „Eintritt in den Schoß des Vaters“ ihren Anfang nahmen: eine Schau, in der sich ihr der dreifaltige Gott (und mit ihm der ganze Himmel) mit seinen Plänen für das entstehende Werk in inneren Bildern und Erkenntnissen zu verstehen gab. Diese Erfahrung dauerte den ganzen Sommer 1949 und bis weit in das Jahr 1950/51 hinein.
Entsprechend der gemeinschaftlichen Spiritualität, die das Leben von Chiara vom Beginn der neuen Bewegung an kennzeichnete, teilte sie ihre innere Erfahrung zuerst Foco und dann auch dem engsten Kreis der Fokolarinnen und Fokolare mit. Zusammen erneuerten sie täglich den Pakt der Einheit. In der Folge war das Subjekt dieser Visionen nicht nur Chiara und Foco, sondern diese kleine Gruppe von Personen, die Chiara die „Anima“ nannte.
Die Texte
Chiara schrieb ihre Erfahrungen jener Zeit in kurzen Notizen nieder und teilte einige davon Foco in Briefen mit. Diese Dokumente sind zum Teil verloren gegangen oder waren für längere Zeit „unauffindbar“. Später wurde aus vorhandenen und wiederaufgefundenen Schriften sowie aus aufgezeichneten Erinnerungen eine Textsammlung zusammengestellt, die in einer 1991 von Chiara gegründeten Studiengruppe, der „Schule Abba“, vertieft wurde. Aus den überarbeiteten Originaltexten, den ergänzenden und klärenden Anmerkungen von Chiara wurde eine definitive Fassung der Schriften des „Paradieses ‘49“ erstellt.
Die Bedeutung
Die Erfahrung des „Paradieses ’49“ macht deutlich, wie Gott mit Chiara einen Menschen, den er mit einem Charisma beschenkt hat, für die Gründung eines Werkes vorbereitet: Er gibt ihr jene Einsichten und teilt ihr jene Kenntnisse mit, die grundlegend sind für die ganze Entwicklung, in unserem Fall der Fokolar-Bewegung, für ihre Spiritualität und ihre typischen Lebensvollzüge.
Das Besondere dabei ist, dass Chiara – im Unterschied zu vergleichbaren mystischen Erfahrungen großer Christen der Vergangenheit (Meister Eckhart, Hildegard von Bingen, Teresa von Avila, Ignatius von Loyola) – von Anfang an eine gemeinschaftliche Erfahrung gemacht hat (mit Foco und den ersten Fokolarinnen).
Ausführlicher
Die Generalversammlung 2014 hatte im Abschlussdokument den Wunsch festgehalten, die Wirklichkeit und die Texte des „Paradieses ’49“ in der ganzen Bewegung zu vertiefen. Ende März 2017 haben in der D-A-CH-Zone sogenannte „Einführungswochenenden“ stattgefunden. Im Mariapoli-Heft vom Mai/Juni 2017 sind wichtige Infos in „Zehn Fragen und Antworten“ dokumentiert. Die pdf-Datei dieser drei Seiten (leider nur in deutscher Sprache) findet sich hier zum Download: