Eine Begegnung von Christen verschiedener Kirchen, die zur Fokolar-Bewegung gehören, ließ die Zeugniskraft der gelebten Einheit erahnen.

Es war eine Premiere und sie scheint gut gelungen. Am 13. und 14. Oktober 2023 trafen sich am Mariapoli-Zentrum in Castel Gandolfo 130 Personen aus mehr als 15 christlichen Kirchen. Sie kamen aus verschiedenen Ländern weltweit – und sie alle verbindet die Zugehörigkeit zur großen Fokolar-Familie; als Freiwillige, Familien, Jugendliche und Fokolare sind sie Träger des Charismas der Einheit. 

Schon seit 2011 hatten sich die Fokolarinnen und Fokolare verschiedener Kirchen regelmäßig am Zentrum der Bewegung getroffen. Dabei haben sie einander – auch in ihrer großen Bandbreite und Verschiedenheit – besser kennengelernt. Aber sie haben sich auch untereinander und mit den Verantwortlichen der Bewegung darüber Gedanken gemacht, wie ihre Zugehörigkeit zur Bewegung auch im Allgemeinen Statut und den Richtlinien besser ausgedrückt werden kann. Dabei haben sie schmerzhafte Momente, aber auch große gegenseitige Bereicherung erfahren.

Eine Gruppe von Fokolarinnen und Fokolaren verschiedener Kirchen trifft sich schon seit einigen Jahren. Foto: screenshot

Diese Erfahrung, die sie nicht zuletzt auch mit den Verantwortlichen am Zentrum tiefer verband, hatte den Wunsch geweckt, auch Angehörige anderer Berufungen daran Anteil zu geben. So war die Einladung in diesem Jahr an alle Angehörigen verschiedener Kirchen in den unterschiedlichen Zweigen und Grupierungen der Bewegung gegangen. Eine „kleine aber feine Vorbereitungsgruppe“ hatte die Tage vorbereitet und stand schon in sich für die bunte Vielfalt: ein russisch-orthodoxer Freiwilliger aus Udine, ein anglikanischer Priester, eine italienische katholische Fokolarin, die in Schweden lebt, eine evangelisch-lutherische Freiwillige aus Schweden, eine katholisch-maronitische Freiwillige aus dem Libanon und ein russisch-orthodoxer Fokolar. 

Beim Treffen selbst waren auch viele Vertreter des Generalrats und der verschiedenen Zentren mit dabei. Und auch Präsidentin Margaret Karram und Ko-Präsident Jesús Morán ließen es sich nicht nehmen, die Tage mitzuleben. 

Margaret Karram und Jesús Morán (sitzend) beim Treffen von Christen verschiedener Kirchen in Castelgandolfo

Eckpfeiler des Programms bildeten zwei vertiefende Vorträge – über die „Rezeptive Ökumene und das Charisma der Einheit“ (Callan Slipper) und „Synodalität und Ökumene“ (Hubertus Blaumeiser). Daneben ging es aber vor allem um Begegnung und – im Saal wie auch in Kleingruppen – um Austausch über Erfahrungen und Fragen, etwa: Wie hilft mir die Spiritualität der Einheit in meiner Kirche zu leben? Welche Schwierigkeiten oder Hindernisse finde ich für mein Leben im Werk, weil ich einer anderen Kirche angehöre? Dem besseren Kennenlernen dienten auch die nach verschiedenen Traditionen gestalteten Gebete und Gottesdienste.

Offene und schmerzhafte Fragen der Zugehörigkeit zu einem in der katholischen Kirche entstandenen Werk kamen dabei natürlich auch zur Sprache. So informierte Elfriede Glaubitz (Kirchenrechtlerin, Fokolarin in Solingen) über verschiedene Kommissionen, die sich mit den diesbezüglichen kirchenrechtlichen und ethischen Fragen beschäftigen. Jesús Morán bekräftigte in diesem Zusammenhang: „Wir wissen, dass Chiara die Internen aus anderen Kirchen mit allen Rechten und Pflichten haben wollte. Dafür wollen wir uns mit allen Kräften einsetzen und jedes Fenster nutzen.” Und Elfriede Glaubitz unterstrich, dass jenseits aller offenen Fragen gelte: „Wir sind alle Vollmitglieder der Familie Chiaras!”

Die vielen informellen und oft nicht nur interkonfessionellen, sondern auch internationalen Begegnungen im Saal, in der Essensschlange, bei den Mahlzeiten … waren für viele eine besondere Stärke des Treffens.

Einen weiteren Höhepunkt bildete dann für viele die Begegnung mit Margaret Karram, die direkt von der Synode gekommen war. Ihre „große Einfachheit und Liebe für jeden Einzelnen“ beeindruckte viele. Sie gab Anteil an dem, was ihr auch mit Blick auf ihr Heimatland gerade unter den Nägeln brannte: „Was für einen Reichtum würde Gott uns schenken, wenn diese Einheit auch unter unseren Kirchen existieren würde, auch um einen Beitrag zum Frieden zu leisten. Ich spüre sehr stark, dass das wahrhaftigste und echteste Zeugnis ist, das wir der Kirche und der Welt geben können: unsere Einheit in der Vielfalt.“

Viele fühlten sich von Margaret ermutigt, ihre Erfahrungen noch mehr in die Bewegung einzubringen. 

Eine Stärke des Treffens waren die Begegnungen. Bild: Alika Ludwig (li.), Ute Kulzinger (re.), Augsburg, mit Renata Simon, Beraterin am Zentrum. Foto: privat

 

Persönliche Eindrücke von Teilnehmenden

„Mir scheint, dass dies ein wirklich wichtiger Wendepunkt für die Ökumene in unserer Bewegung war.“ – Patrick Gerard (Kirche von England)

„Ich muss gestehen, dass ich sehr besorgt zu diesem Treffen gekommen bin aufgrund der Gewalt in der Welt und all dessen, was wir in letzter Zeit erlebt haben; auch wegen Spannungen in meiner Kirche. Doch nach und nach hat mich die Gnade dieses Treffens und die Gegenwart von Jesus in unserer Mitte durchdrungen; sie haben mein Herz weit gemacht und mir Hoffnung geschenkt, viel Hoffnung.

Es braucht Mut und Demut. Die Demut zu erkennen, dass es auch in unseren Kirchen Schwierigkeiten gibt, die wir teilen können. Und das haben wir getan. Und ich bin überzeugt, dass der Weg, der vor uns liegt, für unsere Kirchen sehr schön sein wird. Es wird immer dringlicher, dass wir uns um Christus, um den auferstandenen Christus vereinen in der Welt, in der wir heute leben. Dieses Treffen hat mir die Notwendigkeit der Einheit unter den Christen bestätigt, natürlich in der großen Vielfalt, die auch auf diesem Treffen zum Ausdruck kam.“ – Martin Hoegger (Reformierte Kirche)

„Für mich war es sehr wichtig, auch Christen kennenzulernen, die aus Kirchen kommen, die ich vielleicht noch nicht kannte. Ich kannte zwar die Person, aber in diesen Tagen gab es auch die Möglichkeit, mehr über ihre Kirche zu erfahren.“ – Donatella Rafanelli (Katholische Kirche)

„Für mich hat das Treffen mehrere Dinge hervorgehoben. Unter anderem habe ich entdeckt, dass viele Menschen meine Erfahrung mit der Spiritualität der Einheit teilen, die mir geholfen hat, den Glauben zu finden und die Schönheit meiner orthodoxen Kirche zu vertiefen und neu zu entdecken.“ – Andrey Sinitsyn (Orthodoxe Kirche)

„Ich gehöre zur Pfingstkirche und viele hier kommen aus der orthodoxen Kirche. Unsere beiden Kirchen sind sehr unterschiedlich. Doch als ich ihre Erfahrung hörte und auch, wie sie die Liturgie feiern, habe ich gespürt, dass diese Liturgie auch meine ist. Ich habe auch Menschen aus der Reformierten und der Lutherischen Kirche gehört, die wie ich sehr ernsthaft das Evangelium leben. Und ich habe jetzt viel stärker ihren Reichtum wahrgenommen. Ich habe auch gemerkt, wie sehr ich die katholische Kirche bewundere, nicht nur wegen des synodalen Weges, den sie jetzt geht, sondern auch, weil sie eine Kirche ist, die aufnimmt, eine Kirche, die Mutter ist. Ich wünsche mir, dass alle diese Erfahrung machen können, dass wir wirklich eins sind.“ – Reydibel Mesa (Pfingstkirche)

„Ich habe unser Miteinander wachsen sehen, auch in verschiedenen schmerzlichen Phasen, deshalb war dieser Moment hier überraschend, wie ein kleines Pfingstfest. Ich glaube, dass es sehr bedeutsam war, oder hoffe zumindest, dass es sehr bedeutsam war. Nicht nur für uns, für das Werk Mariens, sondern als ein Geschenk, das wir allen Kirchen und damit der ganzen Menschheit machen können.“ – Callan Slipper (Kirche von England)

„Wir haben Tage erlebt – ich sage Tage, aber eigentlich waren es nur zwei – im Herzen von Chiara, wo dieses große Ideal entstanden ist: alle sollen ein sein, die ganze Welt soll eins sein. Auch für diesen Teil der Welt, den die Kirchen darstellen, gilt: „alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt.“ – Mervat Kelli (Syrisch-Orthodoxe Kirche)

Ein Beitrag von Gabi Ballweg; Fotos: privat