Wie berichtet, findet vom 11. bis 27. September 2025 in Castel Gandolfo / Rom das weltweite Treffen der Delegierten statt. Heute kam der zweite Bericht an.

Der nächste Bericht ist dann im Rahmen des Collegamentos am Samstag, 28. September 2025, um 18 Uhr (auch mit simultaner deutscher Übersetzung).

Und hier der zweite Bericht:

Castel Gandolfo, 26. September 2025

Treffen der Zonendelegierten und des Generalrats – Bericht Nr. 2 

„Für ein Ende aller Kriege und für die Befreiung aller Entführten auf der ganzen Welt.

Behüte, stärke, begleite und segne die Notleidenden, die Flüchtlinge und die Opfer aller Kriege.

Entwaffne, Herr, die Herzen und Gedanken all jener, die Pläne des Todes und der Zerstörung schmieden. Sei uns nahe und schenke uns das Licht deines Geistes.“ [1]

Die Betrachtung vom 19. September, die von Mario Bruno und Maria Celeste Mancuso, den internationalen Verantwortlichen der Bewegung Neue Gesellschaft, eingebracht wurde, war Ausdruck des verzweifelten Hilferufs der Menschheit, aber auch des Glaubens der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Treffens.

Diese Elemente kamen auch in der ersten Woche bei den Treffen der Zonen Asien, Ozeanien, Afrika und Naher Osten mit Margaret und Jesús zum Ausdruck. Im Hinblick auf die Entwicklungen, die Schwierigkeiten und die Zukunft der Bewegung wurde ein Mosaik der Hoffnung sichtbar, bestehend aus Tausenden von Menschen, die sich in den verschiedenen Kulturen um Einheit, Frieden und Versöhnung bemühen.

Einige Themen wurden in allen Treffen angesprochen: die Berufungen zum Werk, die für die Verbreitung der Kultur der Einheit von großer Bedeutung sind und bei denen die Inkulturation stärker berücksichtigt werden soll; eine verstärkte Einbindung der Fokolar-Bewegung in die Ortskirchen und Zusammenarbeit mit anderen religiösen Gemeinschaften, Organisationen und Bewegungen.

Mit Mut auf unsere ganze Geschichte schauen

Die Schulung und der Austausch über den schmerzlichsten Teil unserer Geschichte – die Missbrauchsfälle – wurden fortgesetzt, auch über die Ursachen, die zu sexuellem, spirituellem und Machtmissbrauch in der Bewegung geführt haben.

Eugenia Álvarez aus Venezuela, eine Theologin, die zu den gottgeweihten Mitgliedern von Regnum Christi gehört und zurzeit im Generalrat ihrer Bewegung tätig ist, wurde eingeladen, über die Erfahrung ihrer Gemeinschaft zu berichten. Sie sprach über das Phänomen des Missbrauchs ausgehend von der Verheißung des Evangeliums „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32) und begann ihren Vortrag mit der Frage: „Wie ist es möglich, dass Menschen, die eine Leitungsfunktion ausüben, um anderen auf dem Weg zu Gott behilflich zu sein, soweit kommen, dass sie an seine Stelle treten, glauben, seine Stimme interpretieren zu können, und damit anderen die Freiheit nehmen?” 

Sie interpretierte das Phänomen anhand des Alten und des Neuen Testaments: Zunächst müsse das Böse erkannt und Verantwortung übernommen werden, um einen Weg der Wahrheit und Heilung einzuschlagen. Sie ermutigte dazu, auf den Heiligen Geist zu hören und nach dem Beispiel Jesu Autorität als Dienst zu leben und eine Kultur zu fördern, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Anschließend wurde die Arbeit der Kommission „Unsere Geschichte” präsentiert. Zu ihr gehören: Roberto Almada (Argentinien), Catherine Belzung (Frankreich), Pater Egido Canil (Italien), Enrico Donzelli (Italien – USA) sowie Maria Magerl (Österreich – Römische Mariapoli). 

Der Auftrag von Margaret und Jesús bestand darin, die Ursachen für spirituellen, Macht- und Gewissensmissbrauch zu ermitteln. Im vorgestellten Bericht wurden vier Ansätze aufgezeigt, die nun einer eingehenden Untersuchung bedürfen. Dabei handelt es sich um Phänomene, die mit einzelnen Personen, der Organisation, dem historischen und sozialen Kontext sowie der Persönlichkeit der Gründerin zusammenhängen.

Auch Waldery Hilgeman, der Postulator des Seligsprechungsprozesses von Chiara, ermutigte in seinem Vortrag dazu, sich weiterhin ernsthaft mit dem historischen Hintergrund des Werkes zu befassen. Ziel sei es, „transparente Texte über Chiaras Leben für die zu hinterlassen, die nach uns kommen, im Bewusstsein, dass wir ein großes Charisma in ‚zerbrechlichen Gefäßen‘ tragen“ (vgl. 2 Kor 4,7). Hoffnung, die Notwendigkeit, Rollen von Verantwortlichen zu überprüfen, ein Umdenken und die Schaffung von Räumen für den Dialog – das sind nur einige der Reaktionen der Teilnehmenden. Allen gemeinsam war die Dankbarkeit dafür, dass dieser Weg begonnen wurde, der anhand von weiteren interdisziplinären Beiträgen fortgesetzt werden soll.

Familien-Fokolare

Ein Tag war den Familien-Fokolaren gewidmet. Den Dialog moderierten Hennie und Erik Hendriks, die internationalen Verantwortlichen für die Familien-Fokolare, zusammen mit Noreen Lockhart und Flavio Rovere, den Verantwortlichen für die Sektionen der Fokolarinnen und Fokolare, sowie Maria und Gianni Salerno, die internationalen Verantwortlichen der Bewegung Neue Familien.

Nach einem historischen Rückblick und einer Vertiefung von Chiaras Sichtweise wurden im Saal viele Fragen dazu gestellt, was es heute bedeutet, ein Familien-Fokolar zu sein, und wo dessen Wirkungsbereich liegt.

Margaret und Jesús betonten am Ende dieses Tages, dass eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Familien-Fokolaren, den Neuen Familien und den Sektionen der Fokolarinnen und Fokolare notwendig sei. Nur so könne ein geeignetes Schulungsprogramm gefunden werden, das die Radikalität der Berufung der verheirateten Fokolarinnen und Fokolare sowie die „Mission” der Familien-Fokolare wieder in den Mittelpunkt stellt.

Gemeinsam auf das Werk schauen: Auf dem Weg zur Generalversammlung 

Dieses Thema wurde am 22. und 23. September behandelt und umfasste eine Analyse des Lebens der Bewegung in den letzten fünf Jahren.

Den Anfang machte Jesús Morán mit einem Referat über die Antwort von Chiara und Don Foresi  beim Genkongress 1974 – bekannt unter dem Namen „Das Paradies auf Erden“. Jesús bot eine umfassende Interpretation und zeigte auf, wie das Charisma in jeder Epoche offen und aktuell ist. 

„Ich glaube, dass die Erneuerung des Werkes davon abhängt, ob es gelingt, die richtige Beziehung zur Welt zu finden“, erklärte Jesús. Es genügt nicht, in der Welt zu sein. Wir sollen sie zu Gott führen. Das hat weitreichende Konsequenzen: eine Neubewertung des Sendungsauftrags von Foco (Igino Giordani), der die Freiwilligen, alle offenen Gruppierungen, die Dialoge und die Gesellschaft im Allgemeinen repräsentiert; die Rolle der verheirateten Fokolare; die Rolle der Freunde und der lokalen Gemeinschaften als Akteure; die Verwurzelung der Fokolare in der Weisheit, wie Paulus sagt: „Wir bitten darum, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichen Einsicht erfüllt werdet.“ (vgl. Kol 1,9). 

Einige Sitzungen waren dem Dialog und der Diskussion über die Richtung gewidmet, die das Werk in den letzten fünf Jahren eingeschlagen hat. Das war wichtig und notwendig, wenn auch nicht erschöpfend, um einen Eindruck vom zurückgelegten Weg zu gewinnen, die angegangenen Probleme zu erfassen sowie zu ermitteln, welche Themen noch vertieft werden müssen.

Das Treffen geht noch ein paar Tage weiter. Wir sehen uns am kommenden Samstag, dem 27. September, um 18.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit beim Collegamento für weitere Informationen, Interviews und Filmausschnitte aus diesen zwei Wochen. 

Auf bald! 

Stefania Tanesini


[1] Aus dem „Friedensgebet” der Gemeinschaft Sant’Egidio, Rom, 22. August 2025.

Hier kannst du diesen Bericht herunterladen.


Und hier der erste Bericht:

Stefania Tanesini ist für uns als Berichterstatterin dabei. Sie schreibt am 19. September 2025 aus Castel Gandolfo:

Castel Gandolfo, 19. September 2025

Treffen der Zonendelegierten und des Generalrats – Bericht Nr. 1 

Einkehrtage: Sich in Gott „verorten“, um ihn allen zu bringen

„Mit der Generalversammlung im Jahr 2021 hat für die Bewegung eine neue Zeit begonnen. In diesen fünf Jahren gab es weltweit schwere Krisen und Kriege, aber auch neue Formen der Solidarität und Zeugnisse eines Lebens nach dem Evangelium. Dabei war uns das Charisma von Chiara weiterhin Kompass und Licht. Dieses Treffen soll nicht nur der Bewertung, sondern auch der Einübung gemeinschaftlicher Unterscheidung dienen.“

Mit diesen Worten eröffneten die zentralen Delegierten der Bewegung, Silvia Escandell und Ray Asprer, die beiden Einkehrtage – Grundlage für die folgenden Austausch- und Arbeitssitzungen. 

Die von Philippe van den Heede und Bischof Brendan Leahy vorgetragenen Meditationen über das Wort Gottes und die Eucharistie waren Teil der im vergangenen Jahr begonnenen Fortbildung für die Delegierten und Berater über das „Paradies ’49”. In einer Betrachtung anhand des im Dezember 2024 mit Margaret geführten Video-Interviews[1] ging es um die gelebte Nähe. Dieses Thema wurde der Bewegung auch für das neue Jahr vorgeschlagen.

Sehr interessant war eine Vertiefung von Pater Fabio Ciardi und dem Augustinerpater Ángel Camino der Gemeinsamkeiten zwischen der Spiritualität des Augustinus und der von Chiara Lubich. Sie sind wichtig, um sowohl die spirituellen Wurzeln von Papst Leo als auch den Beitrag der beiden Charismen für die Kirche von heute kennenzulernen.

„Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5) so der Titel der ersten Betrachtung von Renata Simon und Francisco Canzani, den Beratern für den Aspekt Weisheit und Studium. Sie befasst sich mit der Tugend der Hoffnung, die im Mittelpunkt des Jubiläumsjahres der katholischen Kirche steht und auch in den folgenden täglichen Meditationen vertieft wird. Für die erste Betrachtung wurden Texte der Mitbegründer der Bewegung ausgewählt: von Pasquale Foresi, Igino Giordani und Bischof Klaus Hemmerle. 

Perspektiven: Die Fokolar-Bewegung heute mit Blick auf die Zukunft 

„Wohin geht die Bewegung? Was tut sie für den Frieden und die vielen sozialen Missstände? Ist sie so aufgestellt, dass sie auf den Hilferuf der Menschheit antworten kann?“

Das sind einige Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Treffens, bei dem der Dialog eine wesentliche Rolle spielt. Denn neben dem Geschenk, das jede/r für die anderen ist, soll auch der „Puls” der aktuellen Situation der Bewegung gefühlt werden. 

Auf Nachfrage unterstrich Margaret, wie wichtig es sei, nicht nur auf die Bewegung, die strukturellen oder organisatorischen Bedürfnisse zu schauen, auch wenn sie wichtig sind.

„Ich erwarte mir für die nächsten Jahre ein Werk, das „hinausgeht“ und sich für die Menschheit einsetzt. Derzeit sind wir noch sehr auf uns selbst konzentriert. (…) Obwohl unsere Bewegung einen großen Reichtum in sich trägt, laufen wir Gefahr, uns zu verzetteln. Vielleicht müssten wir weniger tun, um eine größere Wirkung in der Welt zu erzielen. Zudem liegen mir alle Berufungen am Herzen, vor allem die zum Fokolar. Wie sollen wir weitermachen ohne diese kostbaren Perlen, die Gott ruft? Doch ich bin trotzdem zuversichtlich, denn es ist Maria, die ihr Werk voranbringt. Wir tun, was in unserer Macht steht.“

Jesús fügte hinzu, dass es notwendig sei, die Weisheit wieder in den Mittelpunkt des Lebens der Bewegung zu rücken. 

„Ohne dass wir es bemerkt haben, sind rein menschliche Kategorien eingedrungen, die auch unter uns zu Polarisierungen führen. Das liegt daran, dass wir die Weisheit außer Acht gelassen haben, die von Charisma kommt. Sie ermöglicht einen echten Dialog und ist auch in ganz konkreten Bereichen wichtig. Sie betrifft nicht nur den Intellekt, […] sondern ist auch sehr konkret.“

Neuausrichtung

Die im Jahr 2012 eingeleitete Neuausrichtung ist ein spiritueller und organisatorischer Prozess, der die Bewegung bis heute beschäftigt. Sie ist von Chiaras Vision der „Mystischen Rose” inspiriert. Der Erfahrungsaustausch darüber hat aufgezeigt, wie in den verschiedenen geografischen und kulturellen Gebieten der Bewegung mit Leitung experimentiert wird. Im Folgenden berichten wir von einigen Zonen und ihrem Weg. 

In den letzten Jahren hat die Gemeinschaft in Sydney (Australien) einen tiefgreifenden Mentalitätswandel durchlaufen. Sie ist von einem auf das Fokolar ausgerichteten Modell zu einem „Netzwerk von Gemeinschaften“ übergegangen. Dabei hat das Frauenfokolar eine begleitende Rolle übernommen und konzentriert sich auf die jüngeren Generationen, wobei die Gemeinschaften sie aktiv unterstützen. Junge Menschen und neue Berufungen erneuern die Gemeinschaften, in denen das Durchschnittsalter eher hoch ist. Durch die Gründung einer ökumenischen Gruppe haben auch reifere Menschen neue Möglichkeiten gefunden, sich einzubringen. Der Einfluss der Bewegung in den Diözesen ist gewachsen.

Im Jahr 2015 wurde Brasilien zu einer einzigen Zone vereint. Dies hat das Zusammengehörigkeitsgefühl im Land gestärkt und zugleich das Bewusstsein für seine große Unterschiede geschärft. Eine Frucht dieser Entwicklung ist die wachsende Offenheit gegenüber den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft, auch durch die Eröffnung verschiedener Fokolare mit Blick auf die existenziellen Ränder wie das Amazonasgebiet und auf die neuen Generationen.

Aufgrund der so schwierigen Lage in den Ländern des Nahen Ostens ging der Prozess dort von der Frage aus: „Wo dürfen wir nicht fehlen?” Dabei wurden folgende Kriterien berücksichtigt: die Stärkung des ökumenischen und interreligiösen Dialogs, die Verbreitung des Charismas, die Fokussierung auf die junge Generation, die Nachhaltigkeit der Fokolare sowie die Unterstützung der Ortskirche. 

Die Neuausrichtung befindet sich in stetiger Entwicklung. Den Berichten zufolge gibt es noch zahlreiche Herausforderungen: kultureller Widerstand, Schwierigkeiten bei der Überwindung „traditioneller” Organisationsmodelle, die Notwendigkeit, Führungskräfte für die Gemeinschaft zu schulen, territoriale Umgestaltungen mit Verlagerungen von Fokolar-Gemeinschaften usw. Dennoch bestätigt sich die Neuausrichtung als notwendiger Prozess: Sie stärkt die Gemeinschaften vor Ort, wertet den Beitrag von Jugendlichen und Familien auf, findet Lösungen zur Vereinfachung der Governance und fördert eine Kultur des Vertrauens. 

Weiterführung der Schulung für die Leitung der Bewegung zum Thema „Schutz vor Missbrauch“

In drei Sitzungen wurde die Schulung zu diesem Thema für die Zonendelegierten und die Mitglieder des Generalrats fortgesetzt. Dabei ging es vor allem um die heikle Rolle der Verantwortlichen. Sie müssen die Schulung der Mitglieder sorgfältig und aufmerksam begleiten und dafür sorgen, dass Menschen, die möglichen Missbrauch melden, nicht allein gelassen werden. Die Verantwortlichen dürfen jedoch nicht in die im Dokument für den Umgang mit Missbrauchsfällen festgelegten Verfahren eingreifen.

In diesem Zusammenhang wurde auch das neue Sekretariat der Fokolar-Bewegung zum Schutz vor Missbrauch vorgestellt. Es unterstützt die Verantwortlichen bei der Einleitung von Verfahren und in konkreten Fällen. Es besteht aus Paloma Cabetas, einer spanischen Fokolarin, Danilo Virdis, einem italienischen verheirateten Fokolar, sowie Maria Magerl, einer österreichischen Fokolarin. Das Sekretariat wurde am 2. September mit Zustimmung des Zentrums der Bewegung gegründet. Es wird von einem „Beratungs- und Aktionsgremium” sowie von externen Beratern unterstützt. Zu seinen Hauptaufgaben gehören die Beratung der Verantwortlichen und der Kommissionen der Bewegung weltweit, die Vernetzung und Harmonisierung der Schutzmaßnahmen der verschiedenen Organe und Sekretariate innerhalb der Bewegung, die Überwachung und Unterstützung der Schutzmaßnahmen in den einzelnen Zonen sowie die Pflege der Beziehungen zur Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen und anderen externen Organen mit ähnlichen Aufgaben.

Stefania Tanesini 


[1] Das vollständige Interview wurde von Peter Forst für „Neue Stadt” geführt. Der Text ist auch auf focolare.org in fünf Sprachen verfügbar.

Und natürlich auch HIER auf mariapoli.net…

Hier noch einmal der ganze Bericht zum Herunterladen: