Gedanken zu den zentralen Elementen der Pilgerreise zum 80. Jahrestag der Fokolar-Bewegung

Wenn Institutionen und Gemeinschaften ein Jubiläum feiern, besteht auch die Gefahr des Eigenlobs. Zumindest in unseren Breitengraden hegen manche eine gewisse Zurückhaltung vor solcher „Selbstbeweihräucherung“. Nicht zuletzt deshalb haben sich die einen oder anderen auch gefragt, ob es angebracht sei, den 80. Geburtstag der Fokolar-Bewegung „groß“ zu begehen.

Margaret Karram hegte diese Sorge wohl nicht. Die Fokolar-Präsidentin hatte sich mit Blick auf den Jahrestag am 7. Dezember schon vor einiger Zeit gewünscht, dass das zentrale Leitungsgremium und die Zonendelegierten aus aller Welt sich aus diesem Anlass zu einer Pilgerreise auf den Weg machen.

In allen Weltreligionen ist die Pilgerreise eine besondere Beziehungspflege zwischen Gott und den Menschen. Die Reisenden sind Suchende, die sich auf den Weg machen, um mit Gott Verbindung aufzunehmen. Vermutlich war auch das ein Grund, warum die Präsidentin der Fokolar-Bewegung das Heilige Land als Ziel vorschlug. Dort hatte Gott sich in besonderer Weise offenbart.

Aber dann kam es anders. Die aktuelle Lage führte zu einer Umleitung der Reisegruppe. Assisi, Loreto und Rom waren die neuen Ertappen – auf den ersten Blick völlig andere Ziele. Aber auch wieder nicht: Es ging den Pilgernden auch jetzt darum, mit Gott in Beziehung zu treten. 

„Gott allein“. Das war die eindringliche Einladung, die ihnen in Assisi durch die Begegnung mit Franziskus und Klara entgegenkam. „Gott allein“ war auch die Grundlage der Hingabe, die Chiara Lubich vor 80 Jahren vollzogen hatte und die den Beginn der Bewegung markiert. „Gott allein“ dazu hat sie dann auch immer wieder diejenigen eingeladen, die ihrem Charisma folgen wollten. „Gott allein“ war jetzt auch die Basis der Pilgerreise.

Auf dieser Basis drängte es die Verantwortlichen der Bewegung dann, Gott für das Geschenk zu danken, dass er Chiara Lubich und allen, die ihr folgen, gemacht hat, und dem nachzuspüren, was es im Hier und Heute bedeutet – persönlich, für die Bewegung, für die Kirchen und für die Welt.

Wie sich diese Pilgerreise gestaltete und was sie in den Pilgernden bewirkt hat, vermittelt die regelmäßige „Nachrichtensendung“ per Internet-Streaming der Bewegung, das „Collegamento CH“ vom 9. Dezember 2023. Sie ist auf Youtube auch in der deutschen Version verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=HSPRmmscqws

Hier soll und kann das nicht wiederholt werden. Deshalb nur ein paar grundsätzliche Überlegungen dazu.

Dank

Der Dank für das Charisma der Einheit blieb keine Privat-Angelegenheit der Pilgernden. Auf den verschiedenen Etappen kam es zu eindrucksvollen Begegnungen – mit Gemeinschaften (wie in Assisi mit dem Franziskaner-Orden), mit Christen verschiedener Kirchen, mit Wegbegleitern aus unterschiedlichen Religionen (wie bei einem Friedensgebet mit jüdischen, muslimischen und buddhistischen Freunden), mit kirchlichen Autoritäten (wie dem Bischof von Assisi oder dem Präfekten des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben bei einem Gottesdienst in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom) und last, not least mit Papst Franziskus bei einer Audienz am 7. Dezember. Aus all diesen Begegnungen, so scheint es, haben die Teilnehmenden wertvolle Impulse und Anregungen mitnehmen können: erhellende Lichtstrahlen darauf, wo und wie das Charisma der Einheit heute gefragt ist. Ist nicht genau das typisch für die gemeinschaftliche Spiritualität? Dass sich der Einzelne (und warum nicht auch die Bewegung als Ganzes) in der Begegnung mit anderen neu empfängt, sich selbst und seinen/ihren Auftrag neu und tiefer versteht?

Reue und Vergebungsbitten

Auch auf dieser Pilgerreise blieb es nicht beim Dank. Die suchende Begegnung mit Gott zeigt immer auch Grenzen, Fehler, Unzulänglichkeiten auf, persönliche wie gemeinschaftliche. Das haben auch die leitenden Personen der Bewegung erfahren und sich in einem Gottesdienst persönlich und stellvertretend für die ganze Bewegung vor Gott gestellt, ihm Vergangenheit und Gegenwart hingehalten und um Vergebung gebeten (u.a. für die Missbräuche in der Bewegung, für unzulängliches Zeugnis, begangene Diskriminierungen, Unterlassungen, … und vieles mehr) – und sich ihm dann neu zur Verfügung gestellt. Bezeichnenderweise indem sie die Worte von Petrus aufnahmen, als Jesus diesen nach der Wahrhaftigkeit seiner Liebe gefragt hatte: „Du weißt alles, Herr, du weißt auch, dass ich dich liebe.“ (vgl. Johannes 21,15)

Sendung

Gott ruft zur Begegnung mit ihm – aber er sendet auch. Wer sich geliebt und beschenkt weiß, will das weitergeben, anderen davon mitteilen. 

Dass das auch auf dieser Reise passiert ist, leuchtet auf, wenn Ko-Präsident Jesús Morán sagt: „Mir ist der Eindruck geblieben, dass wir uns alle das Charisma der Einheit neu zu eigen gemacht haben, damit jede und jeder von uns dieses Geschenk der Welt von heute weitergeben kann, gerade in diesem so besonderen, von Konflikten geprägten Kontext. Und zwar mit neuem Schwung und neuer Überzeugung. Es war notwendig, uns neu von der Aktualität des Charismas zu ‚überzeugen’. – Für mich war es wie ein Neu-geboren-Werden als Kirche, als Menschheit.“

Wichtige Aspekte der Sendung kommen auch in den drei Punkten zum Ausdruck, die Papst Franziskus bei der Audienz den Verantwortlichen und in ihnen der ganzen Bewegung mit auf den Weg gab: kirchliche Reife, Treue zum Charisma und das Leben und der Einsatz für den Frieden. (siehe dazu S. 3).

Vor Beginn der Pilgerreise hatte Margaret Karram einen Brief an alle Angehörigen der Bewegung geschickt. Darin hatte sie eingeladen, geistigerweise Teil der Pilgergruppe zu sein. Durch das Anteilgeben an der Wegerfahrung ergeht nun die Einladung an alle, sich gemeinsam auf den Weg zu machen und die „große Chance“ zu nutzen, von der Roberto Rossi beim Collegamento sprach: „im Alltag mit Jesus unter uns zu leben“ und so das Charisma der Einheit für viele fruchtbar werden zu lassen.                                    

Ein Beitrag von Gabi Ballweg