Die schweizerische Fokolarin Emanuela Chiapparini lebt gerade für vier Monate in Jerewan, der Hauptstadt von Armenien. Bereits 1965 wagten sich Fokolare hinter den Eisernen Vorhang und waren auch dort. Emanuela schlägt für uns die Brücke über 60 Jahre Fokolar-Geschichte.

Emanuela schreibt:

„Bereits vor sechs Jahren kam ich mit Armenien in Kontakt: Eine Studentin von dort benötigte Unterstützung, um an meine Hochschule in Bern zu kommen. Ich konnte ihr helfen und lud sie dann auch einmal in unser Fokolar ein. Das brachte eine andere Fokolarin dazu, detailliert und sogar mit Fotos von jener ersten Reise 1965 zu erzählen:

In dieser Zeit reisten mehrere Gruppen der Fokolar-Bewegung aus Europa in die damals kommunistischen Länder der Sowjetunion, u.a. auch nach Armenien. Sie überbrachten die Grüsse und den Segen des Papstes und brachten religiöse Gegenstände wie Bibeln mit. Auch eine Gruppe der Fokolar-Bewegung aus der Schweiz organisierte damals erste verdeckte Besuche und Kontakte.

Inzwischen bin ich für einen viermonatigen Forschungsaufenthalt an der Yerevan State Universität in Armenien und kann die damaligen Ereignisse viel besser einordnen. Mich berührte besonders ein Vorkommnis von damals: 

Die Fokolare aus dem Westen waren damals auf einer Halbinsel am Sevan-See, auf der es zwei Armenisch Apostolische Kirchen gab. Das war wohl die Klosteranlage Sevanavank. Damals waren alle Kirchen geschlossen. Einige Menschen sahen, dass sie in eine der Kirchen hineingehen wollten und wiesen auf einen versteckten Zwischenraum, wo einige Kerzen brannten. Sie gingen dorthin und beteten für diese Menschen, Priester und Laien, die sehr litten, weil sie sich nicht frei bewegen und äussern konnten. 

Heute sind die Kirchen alle zugänglich und offen. Auch ich zündete Kerzen an und betete für die Christen und alle Menschen in Armenien. Ihren Glauben dürfen sie heute offen ausüben, aber die Herausforderungen ihres Lebens sind enorm. Hier nur ein kleiner politischer Exkurs:

  • Die Grenzen zu zwei Nachbarländern sind geschlossen. Zu Aserbaidschan gibt es keine diplomatischen Beziehungen, Aserbaidschan beschiesst regelmässig die Grenzgebiete Armeniens.  Mit der Türkei bestehen vorsichtige diplomatische Beziehungen: Gewisse Lastwagen dürfen die nördliche Grenze überfahren.
  • Zum Iran gibt es diplomatische Beziehungen, weil der Iran Interesse hat, dass die einzige Strasse und Verbindung durch Armenien in den Norden, durch Georgien in die Türkei und damit zu Europa in den Händen von Armenien bleibt. Somit ist der Iran das einzige Nachbarland, dass Armenien schützt.
  • Auch zu Georgien sind diplomatische Beziehungen vorhanden, jedoch ist Georgien politisch auf Russland ausgerichtet, die Bevölkerung klagt über die korrupte Politik.

Vor diesem Hintergrund ist es für mich eine wertvolle Erfahrung, vier Mal ein Fokolar auf Zeit hier in Armenien mit drei Fokolarinnen (Sonia aus Polen, Valerija aus Slowenien und Eszter aus München) und einer jungen Internen aus Zürich (Hélène Rey) zu leben. Wir wollen durch unsere Präsenz die Herausforderungen dieser Menschen mitleben, ihnen Wertschätzung zeigen und euch allen die Schönheit des Landes vermitteln.“

  • Bild 1: Beten in einer Armenisch Apostolischen Kirche aus dem 10. Jahrhundert (St. John Church) auf einem Ausflug mit zwei Arbeitskolleginnen von der Hochschule.
  • Bild 2: Mit Archäologen aus Frankreich (Jerevan ist die älteste Stadt der Welt!)
  • Bild 3: Mit dem römisch-katholischen Bischof für Georgien und Armenien. In Armenien gibt es nur eine einzige römisch-katholische Pfarrei mit einer Kapelle. Diese wird hauptsächlich von Ausländern und den Schwestern von Mutter Theresa besucht.
  • Bild 4: Essen mit einem 76-jährigen russischen Priester, der demnächst Armenien als letzter katholischer Priester nach 32 Jahren mit schwerem Herzen verlassen wird.
  • Bild 5: Armenisch-slovenisch-schweizerischer Abend mit Juliette (Libanon/Armenien) und Mathilde (Frankreich)
  • Bild 6: Zufällige Begegnung mit einem Katchkar-Künstler, der gleichzeitig auch Priester der Armenisch Apostolischen Kirche ist. Er sagt, er sei der einzige.
    Ein Katchkar ist ein reich verziertes Steindenkmal, das den Himmel und die Erde mit einem Kreuz verbinden soll. Jedes ist anders, man findet sie in Kirchen, auf Friedhöfen oder in Klöstern.

Wer mehr über Emanuelas Alltagsleben in Armenien wissen möchte, kann ihr auf Instagram folgen. Infos über ihre berufliche Arbeit gibt es auf LinkedIn.

Beitrag und Fotos von Emanuela Ciapparini. Die Karte ist von AdobeStock_10636078.